: E-Auto: Wie das Wetter Ihre Reichweite beeinflusst

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Akkus halten weniger lang bei Kälte. So wie sich der Smartphone-Akku bei kalten Außentemperaturen schneller entleert, so verlieren auch E-Autos im Winter an Reichweite. Wird es besonders eisig, können das schon mal über 30 Prozent sein, die sie an möglicher Strecke einbüßen müssen. Dabei ist die Reichweite einer der wichtigsten Parameter von Elektro-Fahrzeugen. Umso größer ist die Angst, dass E-Autofahrer ihr Ziel gar nicht erreichen oder unterwegs laden müssen und dabei wertvolle Zeit verlieren. Diese Angst hat einen Namen und steht mittlerweile sogar im Duden: die Reichweitenangst. Definiert ist sie als Angst davor, mit einem elektrisch oder alternativ angetriebenen Fahrzeug aufgrund der begrenzten Reichweite der vorhandenen Akku- bzw. Tankladung das Fahrtziel oder eine Lade- bzw. Tanksäule nicht zu erreichen und auf der Strecke liegen zu bleiben. Welchen Einflüssen Ihr E-Auto trotzen muss und wie Sie Ihre Reichweite im Winter verlängern können.

Warum funktionieren Akkus bei Kälte langsamer?

In einem Akku wandern Ionen vom Minus- zum Pluspol hin, also elektrisch geladene Elektronen. Sie befindet sich in einem Elektrolyten, einer wasserfreien, dickflüssigen Substanz, die als Trennschicht zwischen den einzelnen Schichten des Lithium-Ionen-Akkus liegt. Aufgrund seiner molekularen Struktur wird der Elektrolyt bei Kälte noch dicker und zähflüssiger. Die Ionen können sich darin langsamer bewegen und dadurch die Energie weniger schnell zum Verbraucher transportieren. Langsamerer Elektronenabfluss bedeutet also langsamere Energieübertragung. Außerdem müssen die Ionen einen Teil ihrer Energie selbst verbrauchen, um ihren Weg mit erhöhtem Widerstand zurück zur Lithium-Seite des Akkus zu bestreiten. Deshalb verlieren diese Akkus bei Kälte an Leistung.

Stromfresser lauern

Dass sich die Akkus von E-Autos bei kalten Temperaturen schneller entladen, ist das Eine. Doch ein noch größerer Faktor sind die zahlreichen anderen Verbraucher und Nebenaggregate, die an der Reichweite nagen. Die werden von einer zusätzlichen Niedrigvoltbatterie versorgt und vor allem bei extremen Temperaturen gern angeschaltet – nämlich die Klimaanlage im Sommer und die Heizung im Winter. Außerdem haben E-Autos anders als Verbrennungsmotoren keine Abwärme nach dem Start dafür übrig. Eine Wärmepumpe und ein elektrischer Zuheizer müssen ran, und zehren ebenso am Akku. Doch nur so lässt sich der Innenraum des Autos aufwärmen, damit Sie beim Fahren nicht frieren.

Wie viel Reichweite geht im Winter drauf?

E-Autos übertreffen sich regelmäßig gegenseitig bei der maximalen Reichweite. Der Mercedes EQS schafft laut WLTP ganze 785 Kilometer mit einer Akku-Ladung! Aber wie viel Reichweite verliert so ein E-Auto nun im Winter? Der ADAC hat das genauer unter die Lupe genommen und einige Fahrzeuge getestet. Das Ergebnis: E-Autos büßen einen Verlust von 10 bis 30 Prozent an Fahrtstrecke ein. Im Test der American Automobile Association (AAA), dem US-Pendant zum ADAC, wurden sogar Verluste bis 41 Prozent gemessen. Die Testkandidaten: BMW i3, Chevrolet Bolt (in Deutschland Opel Ampera-e), Nissan Leaf, Tesla Model S 75D und VW e-Golf.

Auf einem Rollenprüfstand wurden die Fahrzeuge unterschiedlichen Wintertemperaturen ausgesetzt. Es zeigte sich: Bei minus sieben Grad Celsius litt die Kapazität besonders. Der Nissan Leaf schnitt noch am besten ab und verlor bei Minusgraden nur 31 Prozent seiner Reichweite. Schon knapp unter null Grad gingen im Schnitt 12 Prozent Reichweite flöten. Schaltete man die Innenraumheizung voll ein, knackte man sogar die 41 Prozent-Marke. Der BMW kam also fast nur halb so weit. Sieger waren unter den widrigen Umständen der VW e-Golf und abermals der Nissan Leafs mit knapp über 30 Prozent Reichweiteverlust.

Tipps für den Winter

1. Vorglühen

Wie sparen Sie Energie, ohne zu frieren? Am besten, indem Sie Batterien und Innenraum schon vor Fahrtantritt aufheizen, während Ihr E-Auto noch am Kabel hängt. Was beim Verbrenner nicht gemacht werden sollte, beschert Ihnen beim E-Auto einen Vorteil. Denn wenn Sie den Bordakku nicht direkt bei Fahrtantritt mit der Heizung belasten, sondern den Strom aus dem Netz dafür nehmen, verschaffen Sie sich am Ende mehr Reichweite. Darüber hinaus nehmen die Batteriezellen Energie besser auf, wenn sie auf optimaler Betriebstemperatur sind. Das gilt auch fürs Schnellladen.  Alternativ können Sie für mehr Effizienz Ihr Auto vor dem Start oder vor dem Laden etwas warmfahren. Das Vorheizen am Stecker – übrigens auch das Kühlen im Sommer – können Sie auch durch Programmierung oder eine App zum Beispiel aus dem App-Store von zu Hause aus starten.

2. Abends laden

Um mehr Reichweite aus Ihrem E-Auto zu holen, sollten Sie es abends laden. Auch wenn die Reichweite laut Anzeige im Bordcomputer noch für den nächsten Tag reichen dürfte, können Sie prophylaktisch laden. Kalkulieren Sie mit ein, dass die niedrige Außentemperatur und der hohe Energiebedarf am Morgen für die Standklimatisierung am Akku zehren und die Reichweite schrumpfen lassen. Außerdem lädt ein Akku auf abendlicher Betriebstemperatur nach einer Fahrt besser als ein ausgekühlter vor dem Losfahren.

3. In der Garage parken

Wenn Sie die Möglichkeit haben, sollten Sie Ihr E-Auto in einer Garage oder zumindest unter einem Carport parken. So friert es erst gar nicht oder zumindest nicht so stark zu und erfordert weniger Energie zum Heizen für den Innenraum und zum Enteisen der Scheiben vor der nächsten Fahrt.

4. Eco-Modus nutzen

Viele E-Autos verfügen über einen sogenannten Eco-Modus. Vor allem im Winter lohnt es sich, diesen bevorzugt zu nutzen. Denn dabei wird die Belastung des Akkus durch einen geringeren Energieverbrauch deutlich gemindert. Der Eco-Modus reduziert die Motorleistung und dadurch entsprechend den Verbrauch. Wenn Sie in diesem Modus fahren, müssen auch die Regelsysteme weniger oft eingreifen, was den Energiehunger des Autos nochmals drosselt.

5. Sitzheizung statt Autoheizung

In der kältesten Jahreszeit möchte man vor dem Losfahren gern einige Knöpfe drücken, um diese Komfortfaktoren einzuschalten: Klimaautomatik, Sitz-, Lenkrad-, Außenspiegel- und Scheibenheizung. Dann ist alles schnell eisfrei und im Auto wird es wohlig warm. Doch je mehr Verbraucher Sie zuschalten, desto mehr Energie verwenden Sie darauf und reduzieren im gleichen Zug Ihre Reichweite. Finden Sie einen guten Kompromiss und verzichten Sie auf unnötige Stromfresser. Wenn Sie allein fahren, aktivieren Sie besser nur die Lenkrad- oder Sitzheizung, statt die Autoheizung auf den ganzen Innenraum anzusetzen. Oder stellen Sie Letztere auf 19 Grad – Sie werden sehen, dass das schon als Innentemperatur ausreicht. Am besten fahren Sie dann im Umluftmodus. Einige neue Modelle erlauben Ihnen übrigens, mit einer Cockpitheizung nur den Bereich zu heizen, in dem Sie als Fahrer auch sitzen.

6. Sparmodus im Stau

Energiesparendes Fahrverhalten hin oder her: Im Stau enden Ihre Möglichkeiten dafür meistens. Was also, wenn Sie mit dem E-Auto in einen Stau geraten? Und das auch noch im Winter, wo Sie um jeden Kilometer Reichweite ringen wollen? Seien Sie unbesorgt. Auch bei längeren Staus besteht nicht die Gefahr, dass Sie dabei liegenbleiben. Ein ADAC-Versuch hat bestätigt, dass Sie in Ihrem E-Auto im Stau die Heizung problemlos über mehrere Stunden einschalten können. Dabei müssen Sie weder frieren, noch um Ihre Reichweite bangen. Mit der 52 Kilowattstunden großen Batterie des Renault Zoe Z.E. konnte man ungefähr 17 Stunden lang Stau überstehen, ohne zu frösteln. Der VW e-Up mit 32,3 kWh hält immerhin 15 Stunden lang durch. Wer trotzdem Energie sparen möchte, lässt natürlich die Fenster zu und verzichtet auf Stromfresser oder dreht die Heizung wenigstens nicht bis zum Anschlag auf.

7. Sonderausstattung

Weiteres Energiesparpotential liegt in der Sonderausstattung vieler Elektroautos. So gibt es etwa Wärmepumpen in einigen Ausstattungspaketen, die mit Hilfe von Kältemittel der Umgebungsluft Wärme entziehen. So geht das Heizen nicht zulasten der Batterie, sondern nutzt sogar effizient die Wärme, die sie abgibt. Und sie heizt beim Ansteuern einer Ladestation den Akku für einen optimalen Ladevorgang vor. Wie viel Reichweite man mit einer Wärmepumpe gewinnen kann, ist umstritten. Zudem kann nicht nur in einigen E-Autos die Heizung so reguliert werden, dass bei Alleinfahrten nur ein Platz im Cockpit beheizt wird.

8. Realistisch sein

Wie weit fährt man eigentlich mit einem E-Auto? Verschiedene unabhängige Untersuchen kommen auf eine Nutzung von 40 Kilometern im Schnitt. Bevor sich Skeptiker also über vermeintlich lächerliche Reichweiten aufregen, sollten Sie sich erst einmal eingestehen, wie weit Sie damit selbst wirklich fahren würden. Denn die Reichweitenangst ist erschreckend stark ausgeprägt in Deutschland. Der Mobilitätsmonitor 2020 präsentiert die Ergebnisse einer Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Acatech: Ganze 60 Prozent der Bundesbürger zweifeln an der Elektromobilität und nennen auch die zu geringe Reichweite als K.O.-Kriterium. Dabei liegen Realität und Wahrnehmung der Bürger meilenweit auseinander. 40 Kilometer schaffen Sie im E-Auto schließlich auch im Winter – selbst, wenn Sie Heizung und Radio aufdrehen.

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